„Was wir wertvoll herstellen, muss wertvoll bezahlt werden“

@Stefanie Lanin
Sicherheit für die nächste Generation Milchviehhalter   „Die Kuh hat bei uns Vorfahrt“, so lautet der zentrale Leitsatz von Silvio Griepentrog, Geschäftsführer des Landwirtschaftsbetriebes Griepentrog in Steinhagen. In den vergangenen Jahren hat der Landwirt immer bessere Bedingungen für seine Kühe geschaffen: Bessere Frischluftzufuhr, bessere Futterqualität, bessere Betreuung. Den 1600 Kühen und 1300 Jungrindern im Familienbetrieb geht es gut. „Aber wir stoßen an unsere Grenzen“, sagt der Landwirt anlässlich des heutigen Tages der Milch.
„Wenn die Gesellschaft und die Politik mehr von uns will, müssen wir neue Ställe bauen.“
Genau dieser Plan scheitert im Moment jedoch an den Emissions-Richtlinien. Ein Neubau ist dem Familienbetrieb schlichtweg nicht erlaubt. Auch andere Rahmenbedingungen lassen die Zukunft des Landwirtschaftsbetriebes im Landkreis Rostock unsicher erscheinen. Die 2100 Hektar Acker- und Grünland liegen zu einhundert Prozent in den sogenannten Roten Gebieten und im Trinkwasserschutzgebiet, so dass Silvio Griepentrog nur sehr eingeschränkt düngen darf. „Wir wirtschaften hier im Kreislauf“, erläutert der 46-Jährige. Die Kühe „produzieren“ die Gülle, die als Dünger auf den Acker gebracht wird, auf dem wiederum das Futter für die Kühe wächst. Kurze Wege, weniger mineralischer Dünger, Humusaufbau – und das alles bei einem vorbildlichen Viehbesatz von nur einer Großvieheinheit pro Hektar. Die Restriktionen bringen den Kreislauf jedoch aus der Bahn.
„Im Moment kann man keine Aussage treffen, ob wir auf diesem Standort in zehn, zwanzig Jahren noch Milch produzieren können“, so Silvio Griepentrog. „Und das ist ganz besonders schade, weil die nächste Generation in unserem Familienbetrieb quasi schon in den Startlöchern steht.“
Mit dem derzeitigen, erneut drastisch gesunkenen Milchpreis stehe die Branche vor der nächsten Milchkrise, verdeutlicht Vizepräsidentin Dr. Heike Müller.
„Wenn wir in Mecklenburg-Vorpommern künftig noch Milch regional produzieren wollen, müssen sich die Bedingungen deutlich verbessern.“ Jahr für Jahr geben mehr Betriebe auf, weil sie nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. „Bei unserem ohnehin geringen Viehbesatz, ist das besonders dramatisch“, so Dr. Heike Müller.
Dazu komme die Unsicherheit im Hinblick auf die Niedermoor-Vernässung. Bei Marleen Scholten von der GbR Helms in Gehmkendorf befindet sich das komplette Grünland, von dem der Betrieb die rund 450 Kühe ernährt, auf Niedermoor. „Ich hoffe sehr, dass wir diese Flächen auch in Zukunft weiter nutzen können“, verleiht die Landwirtin ihrer Sorge Ausdruck. „Sonst müssten wir für das Grundfutter auf unsere Ackerflächen ausweichen und weniger Getreide anbauen.“
Die 29-Jährige hat miterlebt, wie der Elternbetrieb sich seit 1995 modernisiert hat. Neue luftige, offene Ställe, eingestreute Liegeboxen und Kuhbürsten gehören heute dazu. „Besucher bemerken immer, wie ruhig und gemütlich die Tiere hier sind“, beschreibt Marleen Scholten. Sie ist gemeinsam mit ihrem Bruder in den Betrieb eingestiegen. „Und diese Unsicherheit, wie lange wir unsere Landwirtschaft noch weiterleben können, muss endlich aufhören.“
Was sich die Milchbäuerinnen und Milchbauern in erster Linie wünschen, sind klare Ansagen der Politik, sind sich Marleen Scholten und Silvio Griepentrog einig. Was sie brauchen ist Planungssicherheit für Investitionen und Visionen. Welche Ansprüche muss der Milchviehstall der Zukunft erfüllen? Wie viel darf gedüngt werden? Welcher Pflanzenschutz ist künftig noch erlaubt? Und wie lange kann sich der Landwirt auf diese Bedingungen verlassen? Der Familienbetrieb Griepentrog wirtschaftet bereits seit 47 Jahren am Standort in Steinhagen, bietet 60 Mitarbeitenden einen auskömmlichen Arbeitsplatz und betreibt vorbildliche und engagierte Nachwuchsarbeit, die jüngst zum Titel „Beste Melkerin“ und Bester Melker“ aus ganz Deutschland für zwei Auszubildende geführt hat.
„Damit es den Kühen gut geht, brauchen wir beste Fachkräfte. Und denen müssen wir guten Lohn und moderate Arbeitszeiten mit Urlaub und freien Wochenenden bieten“, beschreibt der Landwirt.
Ein moderner Landwirtschaftsbetrieb sei ein komplexes Gefüge. Und er braucht eine klare Perspektive und ausreichende Einnahmen. „Der Milchpreis, den wir im Moment haben, wäre auf Dauer katastrophal“, erklärt er. Die gestiegenen Energiepreise, die im Betrieb zum Beispiel ganz direkt bei der automatischen Fütterung und der Lüftung zu Buche schlagen, und die gestiegenen Personalkosten, könnten damit nicht gedeckt werden. „Was wir hier wertvoll herstellen, muss auch wertvoll bezahlt werden“, bringt der Landwirt das Problem auf den Punkt.

Zahlen & Fakten

  • In Mecklenburg-Vorpommern werden laut Statistischem Amt MV derzeit 151.354 Milchkühe gehalten.
  • In den vergangenen Jahren ist der Milchkuh-Bestand in Mecklenburg-Vorpommern stetig gesunken. Im Vergleich zum Bestand im Jahr 1991 mit 248.397 Milchkühen gibt es einen Rückgang der Milchkuhhaltung um 39 Prozent.
  • Im Jahr 1988 wurden auf der Fläche von MV noch 1.386.792 Rinder, darunter 490.672 Milchkühe, gehalten und ernährt.
  • Der Viehbesatz hat sich seit 1991 von 19 Milchkühen pro 100 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche auf 11 Milchkühe verringert.
  • Aktuell sind in Mecklenburg-Vorpommern 316 Milchviehbetriebe mit 136.583 Kühen in der Milchkontrolle erfasst. Damit hat sich die Zahl dieser Betriebe seit 2012 mit 624 Betrieben nahezu halbiert.
Die meisten Milchkühe werden im Landkreis Ludwigslust-Parchim (46.032) gehalten. Auf Platz 2 liegt der Landkreis Rostock mit 34.320 Tieren. Im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte werden 21.509 Milchkühe gehalten, in Vorpommern-Greifswald 15.536 Milchkühe, in Vorpommern-Rügen 15.839 Milchkühe und in Nordwestmecklenburg 18.040 Milchkühe. Die meisten Rinder in Mecklenburg-Vorpommern sind Milchrinder. Deutlich am häufigsten vertreten ist die Rasse „Holstein schwarzbunt“.  

Leistungen einer Milchkuh

  Im Durchschnitt frisst eine Milchkuh 45 Kilogramm Futter am Tag. Dieses Futter setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen, wie z.B. Mais- und Grassilage, Weizen-, Mais- und Rapsschrot und Mineralfutter zusammen. Daraus kann eine Milchkuh 30 Liter Milch produzieren. Diese 30 Liter Milch ergeben zum Beispiel 30 Liter Trinkmilch oder Joghurt oder knapp 7 Päckchen Butter oder 3,4 kg Schnittkäse. An 305 Tagen im Jahr geben die Milchkühe in MV bis zu 30 Liter Milch täglich.
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