Tierwohl und Wirtschaftlichkeit optimieren

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S. Selig

Doktoranden aus MV wollen Tierwohl in Milchviehställen verbessern

Welche Managementmaßnahmen können kostengünstig für mehr Tierwohl umgesetzt werden? Was ist die optimale Nutzungsdauer einer Milchkuh? Wie sieht eine optimale Liegefläche aus? All das und viel mehr wurde in 34 Betrieben in Nordost-Deutschland untersucht. 


Jennifer Löbel und Paul Gütschow arbeiten seit drei Jahren an dem gemeinsamen Projekt „Tierwohl und Wirtschaftlichkeit in der zukunftsorientieren Milchviehhaltung“. Die beiden Doktoranden sind derzeit noch wissenschaftliche Mitarbeiter an der Hochschule Neubrandenburg und promovieren mit jeweiligen Teilprojekten an der Humboldt Universität zu Berlin sowie der Universität Hohenheim. 
„Wir befinden uns auf der Zielgerade. Die Ergebnisse sind ausgewertet und müssen nun noch in unseren Doktorarbeiten verschriftlicht werden“, beschreibt Jennifer Löbel.


Mit diversen Vorträgen im In- und Ausland konnten die Mecklenburgerin und der Brandenburger in den zurückliegenden Monaten bereits ein breites Fachpublikum von ihren Erkenntnissen berichten. 


„Mit der Verbesserung des Tierwohls in den Milchviehställen wollen wir kurzfristige und langfristige Maßnahmen für eine zukunftsorientierte Ausrichtung der Betriebe darstellen“ erklärt Löbel, die neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit selbst Landwirtin ist.

 

Paul Gütschow fügt hinzu „Hierbei steht die Ökonomie der Maßnahmen besonders im Fokus. Bei steigenden gesellschaftlichen Ansprüchen an die Tierhaltung müssen für das Betriebsmanagement wirtschaftlich umsetzbare Wege in die Zukunft aufgezeigt werden.“ 


Im Projekt zeigt sich deutlich, dass nicht der Aufbau des Stalls bzw. die Haltungsform sondern allgemein das Management die größte „Stellschraube“ für die Optimierung der Tierhaltung darstellt. Jennifer Löbel betont:

„Auch neu gebaute Ställe zeigten Probleme. So wurden bei einigen Untersuchungsbetrieben die Maße der Liegeboxen für die Größe der Holstein-Kühe nicht richtig berechnet (zu kurz oder zu schmal), die Abgrenzungsrohre am Futtertisch waren zu niedrig oder zu weit hinten angebracht oder auch die Höhe des Nackenrohres (in der Liegebox) sowie die Ausrichtung der Lüfter zeigten Verbesserungsbedarf.“

Neben den Gegebenheiten im Stall konnten für die Arbeitsweise der Mitarbeiter ebenfalls Optimierungsmöglichkeiten dargestellt werden. So gehören zu den empfohlenen Maßnahmen u.a. die Verbesserung der Melkhygiene, Melkerschulungen, das Ersetzen abgenutzter Bürsten oder die gründlichere Reinigung von Tränken. 
Diese und weitere Erkenntnisse konnte in den 34 Untersuchungsbetrieben in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein erarbeitet werden. Zu den Untersuchungsbetrieben gehörten Stallanlagen mit unter 300 bis über 900 Tieren. Für die Übertragbarkeit der Ergebnisse wurden diese in vier Größenkategorien (nach Tierzahl) eingeordnet. 


Zur Erarbeitung der Ergebnisse nutzten die Forscher diverse Methoden - vom Betriebsfragebogen, über die Besichtigung der Ställe und Schrittzählern für 2.915 Kühe bis hin zur Break-Even-Kalkulation und der Verwendung der „Cows and more“-Software. 
Folglich zeigte sich, dass 80% der Probleme kurzfristig und relativ kostengünstig gelöst werden können. Auf Grundlage von KTBL-Zahlen wurde beispielsweise berechnet, dass kurzfristige Maßnahmen Kosten von rund zwei Cent pro Kilogramm Milch im Jahr verursachen – dazu gehören die Verbesserung der Liegeboxen, die regelmäßigere Säuberung der Laufgänge oder gepflegte Tränken. Die häufig fehlerhafte Nackenrohr-Position kann mit einmaligen Kosten von bis zu 1 Euro pro Tier für Pflege und Wartung im Stall ausgebessert werden. Kostenintensiver sind langfristige Maßnahmen, wie der Einbau von Ventilatoren und Steuerungstechnik zur Verbesserung des Stallklimas oder das Angebot eines täglichen Auslaufs oder Weidegangs (inklusive Weidemanagement) auf nahen betriebseigenen Flächen (rund 140€ pro Tier und Jahr).

„Die Untersuchungen geben erste Hinweise darauf, dass Kühe mit regelmäßigem Weidegang körperlich besser konditioniert sind, als jene die ausschließlich im Stall gehalten werden“, so Löbel. 


„Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Anzahl der gehaltenen Tiere pro Stall keinen Indikator für den Zustand und das Wohlbefinden der Tiere darstellt. Das Management ist die ausschlaggebende Einflussgröße“ verdeutlicht Gütschow.

Die Betriebsleiter und Mitarbeiter der Untersuchungsbetriebe zeigten trotz anfänglicher Skepsis großes Interesse an den Ergebnissen und Empfehlungen. Erste Maßnahmen wurden bereits in den Betrieben umgesetzt, um das Tierwohl zu steigern. 


„Wenn die Kühe länger und gesünder leben, steigt auch ihre Leistung. Das stärkt die Betriebe ökonomisch und nachhaltig“, resümiert Gütschow, der die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen berechnet. 


Auf der Internetseite der Hochschule Neubrandenburg können Interessierte bereits erste Ergebnisse nachlesen: http://t1p.de/Tiwoli


Das Projekt bietet der Praxis: 
•    Handlungsempfehlungen (Betriebsebene)
•    Vergleich der Untersuchungsbetrieben in einzelnen Größenordnungen
•    Allgemeingültiger Leitfaden (Übertragbarkeit auf andere Betriebe)
•    Empfehlungen für die Ausgestaltung und Teilnahme an Tierwohl-Programmen 


Der nächste Vortragstermin zu dem Projekt wird am 5. Juni beim Interessenverband Milcherzeuger stattfinden – auch für den Bauernverband MV ist ein Termin in Planung. Alle Projektergebnisse werden mit Abschluss des Projekts und der Doktorarbeiten veröffentlicht. 


Finanzierungsträger des Tierwohl-Projekts, welches von den Professoren Prof. Dr. habil Sandra Rose sowie Prof. Dr. sc. agr. Clemens Fuchs der Hochschule Neubrandenburg begleitet wird, ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Zudem sind die Firma Schaumann, Hohen Luckow, Gut Wamckow, Agrarhof Brüel und LVAT Groß Kreutz Unterstützer der Forschungsarbeit. 
 

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