Stay home, Düngeverordnung!

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Sarah Selig

In einer wegen der Corona-Krise vorgezogenen Bundesratssitzung am 27. März wird nicht nur über ein umfangreiches Hilfspaket für die deutsche Wirtschaft entschieden, sondern auch über die Verschärfung der Düngeverordnung. Eine Entscheidung, die die Landwirte des Bauernverbandes Ludwigslust nicht verstehen können. Schon vor der Pandemie herrschte große Uneinigkeit zwischen Wissenschaft, Politik und Praktikern darüber, ob eine weitere Verschärfung der Verordnung die Nitratwerte im Grundwasser überhaupt verbessert. „Nun werden wir heimlich von hinten überrumpelt!“ - so der Vorwurf der Landwirte. Sie sehen die geplante Verschärfung als große Gefahr für die Selbstversorgung Deutschlands mit Lebensmitteln.


„Wir erwarten das Gleiche von der Politik, was sie von uns erwartet: Kümmert euch um lebenswichtige Themen. Vor allem um die Sicherung der Versorgung mit Gesundheitsgütern und Lebensmitteln“,

stellt Tim Schmüser aufgebracht fest. Er ist junger Milchbauer im Familienbetrieb bei Hagenow und stellvertretender Vorsitzender des Bauernverbandes Ludwigslust.

„Derzeit hat Deutschland eine nie dagewesene Krise zu bewältigen. Sie stellt alles in den Schatten, was wir bisher erlebt haben.“ Alle leisten gerade herausragende Arbeit. Darum die Forderung von Tim Schmüser und seinen Berufskollegen: „Wir müssen erst diese Krise überstehen. Anschließend können wir uns Themen wie der Düngeverordnung wieder konzentriert widmen.“


Warum Landwirte gegen eine schnelle Entscheidung im Bundesrat sind, haben sie mit vielen Demonstrationen immer wieder erklärt: Erst 2017 ist in Deutschland die aktuell geltende Düngeverordnung in Kraft getreten. Nitrat benötigt Jahre bis Jahrzehnte, um ins Grundwasser zu gelangen. Die Wirksamkeit der Verschärfung von vor drei Jahren könne folglich noch nicht sicher ermittelt werden, aktuelle Probleme an Messstellen können Altlasten sein. Auch die Herkunft des Nitrates aus Klärwerken oder Mikroorganismen im Boden wird bisher nach Ansicht der Landwirte zu wenig berücksichtigt. Doch Düngung sei wichtig:

„Wir sind nicht nur für Tierschutz, wir sind auch für Pflanzenschutz“, erklärt Catharina Haenning, Vorsitzende des Bauernverbandes Ludwigslust. „Tiere brauchen Futter und unsere Pflanzen eben auch. Ohne Energie keine Leistung.“ Vor allem Getreide zum Brotbacken benötigt ausreichend Nährstoffe. „Ansonsten reicht es nur für Futtergetreide und schon in wenigen Jahren sind wir davon abhängig, dass das Ausland uns mit Mehl zum Backen versorgt.“


Antrieb des Bundesrates ist eine Klage der Europäischen Kommission, aufgrund der in Kürze Strafzahlungen von Deutschland an die EU drohen. Vorgeworfen wird der Bundesrepublik, dass zu viel Nitrat im Grundwasser sei, was eine EG-Richtlinie verletzt. Auch hier haben die Landwirte Kritik zu üben: Es gäbe zu wenig Messstellen und das sei nicht repräsentativ. Die Grundlage für die Klage der EU müsse korrigiert werden.

„Erst wenn wir sicher sind, ob und wo wir wirklich zu viel Nitrat im Grundwasser haben, können wir den Ursachen gemeinsam auf den Grund gehen. Aber jetzt müssen wir erst einmal Leben retten. Liebe Politik: Steckt eure überschüssige Energie in humanitäre Hilfe, zum Beispiel für Krankenhäuser in Italien. Und nicht in so eine überstürzte und nicht fundierte Entscheidung“,

so der Appell von Tim Schmüser.