Rote Gebiete: Ping-Pong-Spiel ist dem Gewässerschutz nicht zuträglich

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Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln – dieses quälende Hin und Her müssen die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern seit über drei Jahren aushalten, wenn es um die Düngelandesverordnung geht. „Heute stellt Landwirtschaftsminister Backhaus der Presse die dritte Gebietsabgrenzung innerhalb von nur drei Jahren vor, die sich weiter auf eine fachlich nicht begründbare Methodik stützt und nach gutachterlicher Einschätzung Mängel ausweist“, stellt Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern fest. Dabei entstehe der Eindruck willkürlicher Gebietsausweisungen, wenn landwirtschaftliche Flächen unter Berücksichtigung aller bisherigen Düngelandesverordnungen mal als nitratbelastet gelten und mal nicht.
„Wenn man eine verursachergerechte und möglichst genaue, dem Gewässerschutz zuträgliche Ausweisung vornehmen möchte, hilft ein derartiges zufälliges Ping-Pong-Spiel nicht“, so der Bauernpräsident. „Wir können unseren Landwirtinnen und Landwirten den Sinn dieses Systems schon lange nicht mehr erklären.“
Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern hat im November 2022 zum Entwurf der Neuausweisung der Roten Gebiete eine 18-seitige Stellungnahme abgegeben. Eine Reaktion seitens des Landwirtschaftsministeriums gab es bis heute nicht.  

In der Stellungnahme bemängelte der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern unter anderem folgende Punkte.

  1. Die Verordnung enthält keine Beschreibung der insgesamt 818 verwendeten Messstellen, die aus verschiedenen Bereichen (z.B. Landesmessstellen, Rohwasserbrunnen, Vorfeldmessstellen der Wasserversorgungsunternehmen, Messstellen der Lagerstättenüberwachung und Beregnungsbrunnen) stammen. Aus dem Verordnungsentwurf geht nicht hervor, wo sich diese 818 Messstellen befinden und in welcher Tiefenlage sie ausgebaut sind. Ob einzelne Grundwassermessstellen aufgrund fehlender Tauglichkeit entsprechend eines Gutachtens der HYDOR Consult GmbH aus dem Jahr 2020 im neuen Entwurf herausgenommen worden sind, konnte der Verband nicht prüfen.
  2. Es fehlt die Möglichkeit einer einzelbetrieblichen Ausnahmeregelung für Betriebe, die anhand eines vorgelegten Nährstoffvergleiches eine gewässerschonende Bewirtschaftung nachweisen können.
  3. Mit der angewandten N2/Ar-Methode wird die bereits stattgefundene Denitrifikation im Boden bis zum Messpunkt geschätzt und hinzuaddiert. Das führt dazu, dass Gebiete in Grundwasserkörpern ungerechtfertigt als gefährdetes Gebiet ausgewiesen werden.
  4. Sehr kritisch sieht der Verband den Umgang mit Trinkwasserschutzgebieten, die das Land bereits bei Vorliegen einer einzigen auffälligen Messstelle komplett als rot einstuft. So sind beispielsweise im Fall des Wasserschutzgebietes Warnow ca. 100.000 ha von den Düngeeinschränkungen betroffen. Der Verband bezweifelt, dass die Nitratbelastung des gesamten Gebietes hinreichend mit Messwerten aus dem Grundwasser belegt werden kann (zumal es sich hier um Trinkwasserentnahme aus Oberflächenwasser handelt).
  5. Es fehlt eine Übergangsregelung für neu ausgewiesene rote Feldblöcke, in denen die erhöhten Anforderungen in diesem Vegetationsjahr nicht gelten.
  Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern bemängelte aber nicht nur fachliche Punkte des Verordnungsentwurfs. Der Verband musste auch feststellen, dass das Papier inhaltlich nicht den Anforderungen entspricht, die in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung (GGOII) an die Begründung von Gesetzen und Rechtsverordnungen normiert sind, um „eine sachlich fundierte Bewertung des Entwurfs durch die Beteiligten im weiteren Verfahren der Rechtsetzung“ zu ermöglichen. So ist im konkreten Fall die Mindestbeteiligungsfrist von sechs Wochen unterschritten worden. Die mangelnde Transparenz und fehlende Erläuterung der Ausweisung der belasteten („roten“) Gebiete ist deutlich zu kritisieren und lässt den Eindruck entstehen, dass an einer ernsthaften Einbeziehung berechtigter Anliegen Dritter kein Interesse besteht. Gleich in mehreren Punkten erfüllt die Verordnungsbegründung aufgrund der erkennbaren Widersprüchlichkeit nicht die gesetzlichen Anforderungen, heißt es in der Stellungnahme des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Eine sachlich fundierte Bewertung des Entwurfs sei deshalb ausgeschlossen. Ein solches Vorgehen rüttle an der Grundidee demokratischer Beteiligung. Auch die Tatsache, dass Minister Backhaus zunächst die Öffentlichkeit informiert, bevor er einen Tag später die berufsständische Vertretung zu einem „Rundtischgespräch“ einlädt, macht deutlich, wie wenig Interesse es im Ministerium an Wortmeldungen und Hinweisen aus der Praxis hat. „Statt einer frühen Beteiligung Betroffener im Prozess als grundlegender Bestandteil einer ordnungsgemäßen Rechtsetzung werden betroffene Landwirtschaftsbetriebe erneut eine individuelle Überprüfung und Korrektur vor Gericht erstreiten müssen“, kommentiert Bauernpräsident Kurreck das Vorgehen. Die komplette Stellungnahme des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern kann hier nachgelesen werden: https://kurzelinks.de/4adg  
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