Landwirtschaft und Nordkirche im Dialog
Historisch gewachsene Vielfalt der Agrarstrukturen in MV bewahren
Um den rasanten Strukturwandel in der Landwirtschaft und dessen Folgen für die davon betroffenen Menschen ging es bei der heutigen (19. Oktober) Begegnung „Kirche und Landwirtschaft“ in Neu Kaliß. Dabei haben sich rund 30 Vertreter der Nordkirche und des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern ihrer gemeinsamen Ziele versichert und unterschiedliche Ansichten diskutiert. Traditionell finden diese Begegnungen jedes Jahr im Zusammenhang mit dem Landeserntedankfest statt.Bauernverbandspräsident sieht Ideenaustausch als große Aufgabe
„Kirche und Landwirtschaft haben eine sehr ähnliche Aufgabe: Wir wollen die Menschen für unsere Ideen gewinnen“, sagte Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes MV, zum Auftakt der Gesprächsrunde.Trotz einer zufriedenstellenden Ernte sei die Stimmung auf den Höfen derzeit sehr schlecht. „Denn einerseits gibt es große gesellschaftliche Anforderungen an die zukünftige Ausrichtung der Landwirtschaft, andererseits aber kaum umsetzbare Lösungen vonseiten der Politiker. Und unsere Vorschläge werden nicht gehört“, so Detlef Kurreck. Umso wichtiger sei es für Landwirtinnen und Landwirte, immer wieder ins Gespräch zu gehen und die Menschen von den eigenen Ideen zu überzeugen.
Bischof Jeremias: Landwirte leiden unter mangelnder Anerkennung
Bischof Tilman Jeremias sagte: „Als Kirche freuen wir uns über das gewachsene Vertrauen und die gute Gesprächsgrundlage mit dem Bauernverband. Gerade in der aufgeheizten gesellschaftlichen Atmosphäre brauchen wir solche Begegnungen. Landwirtinnen und Landwirte stehen unter wachsendem Druck. Dazu kommt eine mangelnde gesellschaftliche Anerkennung bis hin zu einem Sündenbock-Image, unter dem ganze Familien leiden.Dabei sind es die Landwirtinnen und Landwirte, die am besten wissen, dass Böden keine Spekulationsobjekte sind, sondern lebendige Materie, und welche Voraussetzungen es braucht, damit Tier und Mensch satt werden.“
Martin Piehl: Wir brauchen eine Vielfalt der Höfe
Zentrales Diskussionsthema der Begegnung war die Frage „Strukturwandel: Aktion oder Reaktion?“, auf die Dr. Martin Piehl, Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes MV, eine klare Antwort lieferte: „Strukturwandel ist keine Erfindung der Landwirte, sondern stets eine Reaktion auf wissenschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen.“ Er zeigte auf, dass die unterschiedlichen Agrarstrukturen in Deutschland historisch gewachsen sind, und wertete die Vielfalt als großen Vorteil. Eine Mischung aus verschiedenen Betriebsformen, kleinen und großen Höfen, ermögliche eine deutlich bessere Anpassung an gesellschaftliche Wünsche.„Stellen Sie sich vor, es gäbe nur noch Familienbetriebe mit 50 bis 100 Hektar, die alle einen Hofnachfolger finden müssen“, lud er zum Gedankenspiel ein. „Das würde die persönliche Entwicklung vieler Menschen sehr stark einschränken.“Auch Fragen nach Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft oder der Zukunft der Tierhaltung müssten im Zusammenhang mit der Agrarstruktur diskutiert werden. Die politische Ausrichtung sei deutlich, so Dr. Martin Piehl: Mit fast vier Milliarden Euro im Agrarhaushalt fördere der Bund jährlich, dass der Generationenvertrag aufrechterhalten werden kann. „Wir leisten uns eine Struktur, die aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht am Weltmarkt nicht konkurrenzfähig ist.“ Die bäuerlichen Familienbetriebe seien es jedoch, die Dörfer belebten, die sich engagierten, Arbeitsplätze böten und Infrastruktur aufrechterhielten. „Es gibt nicht die einzig wahre Struktur. Wir brauchen vielfältige Antworten auf komplexe Herausforderungen“, so Dr. Martin Piehl.
Jan Menkhaus: Existenz von kleineren Höfen bedroht
Dr. Jan Menkhaus, Referent für Landwirtschaft und Ernährung beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt (KDA) der Nordkirche sagte: „Wir beobachten derzeit eine gewaltige Umwälzung der Strukturen in der Landwirtschaft, gerade in den tierhaltenden Betrieben. Leider sind es vor allem die kleineren familiengeführten Betriebe, die unter die Räder kommen, obwohl sie von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie politisch gewünscht sind. Aufgrund von Perspektivlosigkeit schließen sie zunehmend ihre Tore.Als Kirche liegen uns gerade diese Betriebe sehr am Herzen, da hinter ihnen Familien stehen, die sich abrackern bis zur Selbstausbeutung, bis zum bitteren Ende. Um gerade diesen Betrieben eine Perspektive geben zu können, die Transformation in der Landwirtschaft zu überstehen, müssen Politik, Handel und wir Verbraucherinnen und Verbraucher uns zu diesen Betrieben bekennen und gemeinsam agieren.“Den jährlichen Austausch zwischen Kirche und Landwirtschaft bezeichnete Dr. Martin Piehl als „hochwertvolle Begegnung“, die jedes Jahr an einem anderen Ort des Landes Impulse setze. Es gebe vielfältige Anknüpfungspunkte, wie sich auch in der breitgefächerten jährlichen Themenauswahl zeige.
„Zudem ist die Kirche ein bedeutender Landeigentümer mit einem natürlichen Interesse daran, dass dieses Land gut und einträglich bewirtschaftet wird, während alle anderen Ziele ebenfalls im Blick behalten werden.“ Zudem engagieren sich zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte selbst mit großer Leidenschaft in ihren Kirchgemeinden.„Wir haben hier heute wieder viel Zuspruch und Gesprächsbereitschaft erfahren“, sagte auch Bauernpräsident Detlef Kurreck. „Die Begegnung bietet eine gute Gelegenheit, um Anliegen zu transportieren, sich des Zusammenhaltes zu vergewissern und nicht zuletzt auch gemeinsam zu feiern.“
Ansprechpartner Referat
Stefanie Lanin
Pressesprecherin