Aktionswoche Agrardiesel startet mit Großstreik

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Trecker und Laster blockieren alle Autobahnzufahrten im Land

Die Landwirtschaft braucht ein klares Zeichen und keine faulen Kompromisse:

„Das geplante Aus für die Agrardiesel-Subventionen und die Kfz-Steuervergünstigungen für landwirtschaftliche Fahrzeuge muss zu 100 Prozent zurückgenommen werden. Mit dieser Forderung gehen wir am Montag auf die Straße“, so Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes MV.

Am 8. Januar werden die im Bauernverband und „Land schafft Verbindung“ organisierten Landwirtinnen und Landwirte mit hunderten Treckern 62 Autobahnzufahrten im Land zwischen 6 und 9 Uhr blockieren. Unterstützt werden sie von zahlreichen Lastkraftwagen vom Landesverband des Verkehrsgewerbes MV, deren Mitglieder ebenfalls harsche Kritik an den jüngsten politischen Entscheidungen üben. Die Demonstration bildet den Auftakt zur Aktionswoche der Bauernverbände in ganz Deutschland gegen die Sparpläne der Bundesregierung.

Die Landwirtschaft habe in den letzten Jahren so viele Veränderungen und neue Anforderungen mitgetragen, sagt Detlef Kurreck.

„Wir sind immer im Dialog mit der Politik gewesen. Die Sparpläne sind ein Schlag ins Gesicht und ein absolutes Negativbeispiel für demokratische Politik.“ So könne es nicht weitergehen.

„Es muss einen Kurswechsel geben“, so Johannes Aalberts von „Land schafft Verbindung MV“. „Es ist wichtig, dass wir Landwirte jetzt zusammenhalten und uns gemeinsam für die Zukunft der Branche stark machen.“

Jeweils 20 Traktoren und fünf Lastkraftwagen werden in den Autobahn-Auffahrten den Verkehr blockieren. Weitere Fahrzeuge werden am Rande der Zufahrtsstraßen und auf ausgewiesenen Stellflächen Präsenz zeigen. Die Arbeit von Rettungsdienst, Feuerwehr, THW und Polizei soll durch die Aktion nicht behindert werden. Es gehe nicht darum, das Land lahmzulegen, so der Bauernpräsident.

„Wir wollen jedoch deutlich machen, was passiert, wenn die Landwirtschaft nicht funktioniert. Es ist ein Vorgeschmack darauf, wie es aussieht, wenn Landwirte ihrem Beruf nicht mehr nachgehen können.“

Besonders beeindruckend sei die breite Unterstützung aus dem Mittelstand, dem Handwerk und den Unternehmerverbänden. Mit dem Landesverband des Verkehrsgewerbes MV sei ein gewichtiger Schulterschluss gelungen, der den Forderungen noch mehr Gehör verleihe.

„Auch das Verkehrsgewerbe ist hart getroffen. Da geht es uns ebenso wie den Landwirten“, verdeutlicht Christian Joerß, Vorsitzender des Landesverbandes des Verkehrsgewerbes MV. Mit einer 83-prozentigen Erhöhung der Maut, der CO2-Besteuerung, dem gestiegenen Mindestlohn und den ohnehin hohen Beschaffungskosten für Fahrzeug-Ersatzteile seien die Spediteure unverhältnismäßig hohen Belastungen ausgesetzt. „Wir kritisieren ebenso wie der Bauernverband die kapitalen Fehler der Politik“, so Christian Joerß.

„Die Regierung fasst Beschlüsse, ohne dass Umsetzung und Folgen fachlich und sachlich diskutiert werden.“

Die aktuellen Sparpläne seien ein Einschnitt zu viel, sind sich die Akteure einig. Sowohl Landwirte als auch Spediteure sind unverzichtbar für die Versorgung der Menschen in unserem Land.

„Wir streiken nicht für mehr Geld oder weniger Arbeit. Wir streiken, damit wir einfach unsere Arbeit weitermachen können“, sagt Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes MV.

Im Laufe der Woche plant der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern weitere Protestaktionen. Für den 15. Januar ruft der Deutsche Bauernverband (DBV) zu einer Großdemo in Berlin auf. Hier wurde eine Veranstaltung für ca. 10 000 Menschen angemeldet. Der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern unterstützt diese Veranstaltung. Landwirte aus dem ganzen Land sind aufgerufen, mit Traktoren nach Berlin zu fahren oder per Bahn oder Bus in die Hauptstadt zu kommen.

Hintergrund: Aktionswoch Agrardiesel

Wofür stehen wir?

Der Deutsche Bauernverband und seine Landesbauernverbände vertreten rund 250.000 familiengeführte landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland sowie über 40 assoziierte Mitgliedsverbände aus der gesamten Agrar- und Ernährungswirtschaft. Der DBV steht zusammen mit seinen Mitgliedsorganisationen für die Interessen von rund einer Million Menschen im ländlichen Raum.

Worum geht es?

Die Ampelkoalition hat für den Haushalt 2024 geplant, die Agrardieselrückvergütung und die Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge ersatzlos zu streichen. Allein diese beiden Maßnahmen würden für die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland eine Mehrbelastung von rund 920 Mio. Euro pro Jahr bedeuten. In Mecklenburg-Vorpommern müssten die Betriebe eine Mehrbelastung von rund 73 Mio. Euro tragen. Eine Steuererhöhung in dieser Größenordnung für eine einzige Branche ist bisher beispiellos und grob unverhältnismäßig. Die Landwirtschaft hat bereits empfindliche Einschnitte zu tragen: Streichungen im Agrarhaushalt in Höhe von 375 Mio. Euro (in der GAK, beim Investitions- und Zukunftsprogramm und bei der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung), Einschränkungen bei der Umsatzsteuerpauschalierung mit zusätzlichen jährlichen Zahllasten in Höhe von 350 Mio. Euro sowie Wegfall von einkommenswirksamen Komponenten in der GAP-Förderung in der Größenordnung von 2 Mrd. Euro.

Was fordern wir?

Die deutschen Bauernfamilien lehnen dieses Vorhaben der Ampelkoalition entschieden ab. Wir fordern von der Bundesregierung, die Pläne zur Streichung der besonderen Agrardiesel-Besteuerung sowie zur Streichung der Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge sofort und in Gänze zurückzunehmen. Das hilft, die heimische Landwirtschaft zu sichern, die wir und Sie brauchen, um unsere unabhängige Lebensmittelproduktion mit unseren hohen Standards zu behalten.

Was ist geplant?

Vom 8. bis 15. Januar 2024 wird im ganzen Bundesgebiet eine Aktionswoche durchgeführt, um Mitbürger, Verbraucher, Politik und Gesellschaft über unsere Anliegen zu informieren. Bereits am 18. Dezember sind rund 9.000 Landwirtinnen und Landwirte aus der gesamten Bundesrepublik vor dem Brandenburger Tor zusammengekommen, um ihrem Unmut über die geplanten Streichungen Ausdruck zu verleihen. Für den 15. Januar 2024 ist eine weitere Großkundgebung in Berlin geplant.

Was ist uns noch wichtig?

Wir Bauernfamilien streiten um die Sache und stellen uns gegen die beschlossenen Maßnahmen, die uns hart treffen würden. Wir stehen für friedlichen und demokratischen Protest. Wir distanzieren uns aufs Schärfste von Personen, die Umsturzfantasien propagieren oder Gewalt verherrlichen sowie Personen aus rechtsextremen Kreisen und anderen radikalen Randgruppen - auch, weil diese teilweise unseren Protest für ihre fragwürdigen Anliegen vereinnahmen wollen. Wir setzen auf den großen Rückhalt in der Bevölkerung und wollen diesen nicht verlieren! Wir haben gute Argumente, die im Mittelpunkt stehen und die wir erklären und vertreten. Wir unterstützen Rettungs- und Pflegedienste, Feuerwehren und Ordnungskräfte. Wir halten uns an Recht und Gesetz und insbesondere an die Spielregeln für Demonstrationen und Veranstaltungen: Demonstrationen müssen angemeldet werden. Keine illegalen Aktionen, keine Übergriffe! Wir respektieren die Privatsphäre unserer Gesprächspartner: keinerlei Aktionen vor Privathäusern und -wohnungen, keine persönlichen Anfeindungen!

Weitere Argumente zur Sache

 

  1. Zahlen und Fakten

Der Diesel-Verbrauch in der Land- und Forstwirtschaft beträgt ca. 2 Mrd. Liter jährlich. Auf den Normalsteuersatz von 47,04 Cent/Liter erhalten Landwirtschaftliche Betriebe eine Teilerstattung von 21,48 Cent/Liter (insgesamt ca. 440 Mio. Euro p.a.). Damit liegt der Steuersatz für Agrardiesel im europäischen Durchschnitt. Zusätzlich gilt seit 2021 die CO2 Emissionsabgabe auf Treib- und Brennstoffe von 25 Euro/t (ca. 6,7 Cent/Liter Diesel netto). Die Emissionsabgabe steigt auf ca. 13,4 Cent/Liter Diesel (netto) - 50 Euro/t CO2 in 2025. Der durchschnittliche Dieselverbrauch liegt zwischen 110 und 120 Liter Diesel je Hektar und Jahr. Für einen typischen Vollerwerbs-Familienbetrieb geht es bei Agrardiesel und Kfz-Steuern schnell um deutlich fünfstellige Beträge pro Jahr.

  1. Steuerbelastung für Agrardiesel im EU-Vergleich: Deutschland im Mittelfeld

Europaweit gibt es eine große Spannbreite der Agrardieselbesteuerung: Die höchsten Sätze haben die Niederlande mit 50,4 Cent/Liter; die niedrigsten Sätze Belgien und Luxemburg mit 0 Cent/Liter. Deutschland liegt mit 25,6 Cent/Liter im Mittelfeld der Belastung. Steuersätze für andere EU-Länder: Frankreich 37,7 Cent/Liter; Polen 36,8 Cent/Liter; Italien 13,6 Cent/Liter, Spanien 9,7 Cent/Liter; Dänemark 6,95 Cent/Liter.

  1. Kfz-Steuerbefreiung

Auch hier gilt das Argument europäischer Wettbewerbsgleichheit: in zahlreichen EU-Ländern

sind land- und forstwirtschaftliche (Luf)-Fahrzeuge von der KfZ-Steuer befreit. Sinn der KfZ-Steuer ist wie bei der Energiesteuer im Wesentlichen die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Landwirte setzen Diesel aber kaum im Straßenverkehr, sondern im Schwerpunkt für ihre betrieblichen Arbeiten ein. Daher ist eine Entlastung von dieser Infrastrukturlast sinnvoll und geboten.

  1. Alternative oder erneuerbare Antriebsenergien in der Landwirtschaft

Der Verbrennungsmotor wird auf Sicht für schwere Arbeiten unverzichtbar bleiben – Elektroantriebe können derzeit nur ergänzen (leichte Hofarbeiten etc.). Die CO2-Emissionsabgabe für Brenn- und Treibstoffe kommt zur Energiesteuer hinzu. Steuerliche Rahmenbedingen für Biokraftstoffe in der LuF sind völlig inakzeptabel. THG-Quotengesetz im Verkehr wirkt: Investitionen in Biomethan aus Gülle/Stroh laufen an. Vermarktung des Biomethans in andere Sektoren ist wirtschaftlich attraktiver.

  1. Warum muss die Agrardiesel-Steuererstattung beibehalten werden?
  • Der Agrardiesel ist keine „Subvention“ im klassischen Sinn, sondern eine Art Lastenausgleich, mit dem der deutsche Steuersatz für Agrardiesel auf den Durchschnitt der EU gebracht wird. Die Belastung für deutsche Landwirte liegt bisher im Mittelfeld. Die Agrardiesel-Erstattung bleibt für ein Mindestmaß an gleichen Wettbewerbsbedingungen in Europa notwendig.
  • Eine Streichung der Agrardiesel-Regelung und der Steuerbefreiung für luf-Fahrzeuge (ca. 485 Mio. €) würde zusammen mit der CO2 Emissionsabgabe für die Landwirtschaft in Deutschland einen Wettbewerbsnachteil von über einer Mrd. € bedeuten – dem keinerlei Entlastungen gegenüberstehen. De Landwirtschaft würde von diesem Vorhaben der Ampelkoalition dramatisch höher belastet als andere Wirtschaftsbereiche.
  • Landwirte setzen Diesel kaum im Straßenverkehr, aber immer für ihre betrieblichen Arbeiten ein – vergleichbar mit Arbeitsmaschinen in Industrie und Gewerbe. Daher ist Entlastung sowohl bei der Agrardiesel-besteuerung als auch bei der KfZ-Steuer angebracht.
  • Es gibt keinerlei Lenkungswirkung höherer Steuersätze, weil Bodenbearbeitung, Feldarbeiten, Ernte, Transport und andere schwere Arbeiten derzeit nur durch Einsatz von Dieselmotoren erledigt werden können. Das Vorhaben der Ampel läuft daher auf schlichtes Abkassieren von Landwirten und Verbrauchern hinaus.