Getreideernte 2022: Große regionale Unterschiede erwartet

Ernte-PK
@ Stefanie Lanin

Die Ernte der Wintergerste ist in Mecklenburg-Vorpommern abgeschlossen. Bis auf kleine Restflächen haben die Landwirte das Getreide bereits gedroschen.

„In vielen Landesteilen haben die Landwirte eine bessere Gerstenernte eingefahren als erwartet, auch wenn die Ergebnisse insgesamt regional wieder sehr unterschiedlich ausfallen“, zieht Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes MV, eine erste Bilanz.

Die im Herbst gesäte Gerste sei dem anderen Getreide voraus gewesen. Sie habe ihre Wurzeln noch gut ausbilden können, bevor es zu trocken wurde. So konnte die Gerste optimal von dem wenigen Regen, der im Frühjahr gefallen ist, profitieren. „Ob das auch der später ausgesäte Weizen geschafft hat, bleibt abzuwarten“, so der Bauernpräsident. Das gelte auch für den Raps, dem die Hitze im Juni zugesetzt hat. Herbstkulturen wie Zuckerrüben, Mais und Kartoffeln sind gegenwärtig gut entwickelt. In den kommenden Wochen benötigen sie jedoch ausreichend Niederschläge.


Kosten für Dünger, Saatgut und Energie gestiegen


Neben der anhaltenden Trockenheit bereiten den Landwirten in Mecklenburg-Vorpommern die gestiegenen Kosten für Dünger, Pflanzenschutzmittel, Saatgut, Energie und Kraftstoff Sorgen. Insgesamt haben sich die Direktkosten im Ackerbau im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 300 Prozent verteuert. So werden beispielsweise für eine Tonne Harnstoff, der in der Landwirtschaft als Dünger verwendet wird, inzwischen 1.200 Euro fällig. Im Februar waren es noch 400 Euro. Viele Landwirte schöpfen derzeit aus den Einnahmen des Vorjahres, die nur rund die Hälfte des aktuellen Verkaufspreises betragen.


Die derzeit hohen Betriebsmittelkosten können nur durch Erlöse für landwirtschaftliche Erzeugnisse ausgeglichen werden. „Doch was am Ende bleibt, kann noch nicht abschließend beziffert werden. Wir hoffen, dass wir unsere Ernte gut verkaufen können", sagt Bauernpräsident Kurreck. Um Kosten zu sparen setzen die Landwirte derzeit nur dort Dünger ein, wo es sich lohnt. 

„Wir müssen beim Düngen knausern, da jedes Kilogramm Dünger teuer ist. Fehlen der Pflanze jedoch Nährstoffe, leiden Qualität und Ertrag", sagt Lars-Peter Loeck, Vorstand der Agrofarm eG Lüssow.

Der Betrieb bewirtschaftet 2.685 Hektar Acker- und Grünland. Neben Weizen, Gerste und Raps werden hier auch Mais und Erbsen angebaut.


„Die Gerste haben wir bereits unter Dach und Fach“, berichtet Loeck. Ertrag und Qualität seien besser als erwartet gewesen. Die Genossenschaft habe einen Teil ihrer Wintergerste schon verkauft, ein anderer Teil liegt als Futter für die rund 1.400 schwarzbunten Milchkühe des Betriebes auf Vorrat. Nach der Strohernte, so hofft Loeck, gehe es in den nächsten Tagen mit der Ernte im Raps, Weizen und bei Triticale weiter.


Rote Gebiete, Düngelandesverordnung, Messstellennetz


Neben der Ernte und den aktuellen Marktturbulenzen beschäftigen die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern die aktuellen Entwicklungen rund um die roten Gebiete. Nachdem der Bundesrat vor wenigen Tagen die Novelle der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten verabschiedet hat, steht das Land Mecklenburg-Vorpommern vor der Aufgabe, bis zum Herbst eine neue Düngelandesverordnung vorzulegen und die roten Gebiete neu auszuweisen.

„Was wir befürchtet haben, hat Minister Dr. Till Backhaus in dieser Woche angekündigt: die Gebiete, in denen Landwirte unter Bedarf düngen müssen, werden noch in diesem Jahr deutlich wachsen“, befürchtet Bauernpräsident Detlef Kurreck.

Die seit Jahren andauernden Diskussionen rund um das Düngerecht in Deutschland werden mit dieser Entscheidung aber nicht beendet. Denn zwei wesentliche Forderungen des Bauernverbandes - Verursachergerechtigkeit und ein belastbares Messstellennetz – finden sich nur sehr unzureichend in der Novelle der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) und in den aktuellen politischen Debatten wieder. Der Verband kritisiert außerdem, dass mit der neuen AVV keine Ausnahmeregelungen für nachweislich ordnungsgemäß wirtschaftende Betriebe möglich sind.


Die Agrofarm eG Lüssow muss bereits jetzt auf 1.145 Hektar Ackerland 20 Prozent unter dem Pflanzenbedarf düngen. Grund für diese Einschränkungen: die nächstgelegene Grundwassermessstelle in Groß Schwiesow weist eine zu hohe Nitratbelastung aus.  Doch genau diese Messstelle steht in der Kritik der Landwirte. Sie stammt aus dem Jahr 1967 und wurde damals nicht zum Messen der Nitratbelastung im Grundwasser eingerichtet.

„Es ist eine Messstelle mit regelwidrigem Ausbau“, erläutert Dr. Stephan Hannappel der HYDOR GmbH. „Das bedeutet, sie ist nicht nach den Regeln der Technik des DVGW gebaut. Und damit ist die behördliche Verwendung dieser Messstelle zur Ausweisung nitratbelasteter Gebiete fachlich nicht gestattet.“


Die Agrofarm hat deshalb auf eigene Rechnung eine Fachfirma beauftragt, drei neue Messstellen zu bohren. Für die Standortauswahl und die Anforderungen an die Messstellen wandte sich das Fachbüro im Auftrag der Agrofarm an das Landesamt LUNG. Das stellte einen entsprechenden Kriterienkatalog zur Verfügung. Letztendlich hat das Landesamt jedoch keine der drei gebohrten und auswertbaren Messstellen in das Landesmessnetz übernommen.

„Alle drei Messpunkte weisen Nitratbelastungen von unter 0,1 mg Nitrat pro Liter aus“, versichert Lars-Peter Loeck.


Zur Optimierung der Betriebsabläufe beschreitet die Agrofarm weitere Wege. So wurde beispielsweise die Fruchtfolge in den vergangenen Jahren erweitert, der Anbau von Leguminosen ausgedehnt.  Das gilt auch für den Anbau von Zwischenfrüchten, die überschüssigen Stickstoff aus dem Boden aufnehmen.  Darüber hinaus werden regelmäßig Bodenproben gezogen und die Stickstoffwerte bestimmt. In der Düngebedarfsermittlung wird mit der LMS Agrarberatung auf Basis des Durchschnittsertrags der vergangenen drei Jahre und der aktuellen Ertragserwartung festgelegt, wie viel Stickstoff je Kultur und Standort gedüngt wird. „Die Einführung der automatisierten Düngung auf Basis des RTK-Signals hat uns etwa zehn Prozent Einsparungen gebracht. Als nächsten Schritt beschäftigen wir uns mit der teilflächenspezifischen Düngung“, sagt Lars-Peter Loeck.


Bleibt es bei der vom Minister in dieser Woche angekündigten Einordnung von landesweit etwa 47 Prozent der Nutzfläche in „rote Gebiete“, könnte das auch für die Agrofarm einschneidende Folgen haben. Vorstand Loeck befürchtet bei einer Düngung von 20 Prozent unter dem Pflanzenbedarf über mehrere Jahre eine Abwärtsspirale bei den Erträgen und Qualitäten.

 

Weitere Messstellen evaluiert


Um den seit zwei Jahren fruchtlosen Dialog zwischen Landwirtschaftsministerium und Landwirten wieder zu beleben, hat der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern vor einigen Wochen einen neuen Vorschlag unterbreitet. Im Auftrag des Verbandes hatte die Berliner HYDOR GmbH aus der Bohrungsdatenbank des Landes geeignete Messstellen selektiert, die das derzeit genutzte Netz ergänzen könnten. Für den Zeitraum 2016 bis 2020 beinhaltete die Datenbank 1.489 Messstellen mit 5.843 Nitratanalysen in einer Filtertiefe von maximal 100 Metern.


Für den Standort der Agrofarm Lüssow könnten demnach zum Beispiel 30 andere Messstellen als die kritisierte in Groß Schwiesow herangezogen werden, um den Grundwasserkörper hinsichtlich der Nitratbelastung zu bewerten. Von diesen 30 Messstellen weisen 26 eine Nitrat-Konzentration von unter 10mg/l auf. Eine Messstelle zeigt eine Nitrat-Konzentration zwischen 37,5 und 50 mg/l, drei weitere von mehr als 50 mg/l auf. Die drei vom Betrieb angelegten Messstellen sind dabei noch gar nicht enthalten. Würden diese Messstellen tatsächlich zur Bewertung des Grundwasserkörpers herangezogen werden, würden die roten Gebiete deutlich kleiner ausfallen, so Dr. Stephan Hannappel.


„Nach unserer Auffassung sollte diese umfangreiche Analyse von HYDOR bei der Neuabgrenzung der nitratbelasteten Gebiete, Berücksichtigung finden“, sagt Bauernpräsident Detlef Kurreck. 

Die Ergebnisse dieser Untersuchung seien bereits Anfang Juli Vertretern aus dem Ministerium für Klimaschutz, Landwirtschaft, ländliche Räume und Umwelt sowie aus dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie vorgestellt worden. Bislang wurde jedoch kein Interesse an einer Nutzung dieser Übersicht signalisiert.

 

 

 

 

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