Motivation statt Strafe

PK
@ Stefanie Lanin


Bauernverband MV fordert Veränderung der politischen Rahmenbedingungen


Klima schützen, Artenvielfalt erhalten, Ernährung sichern: Die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern sind bereit, noch mehr zu tun, um die großen Herausforderungen der Zeit zu bewältigen. Um jedoch das notwendige Tempo aufnehmen zu können, müssen die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, betont Detlef Kurreck, Präsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern. Dazu gehöre auch, Reglementierungen und Strafen in Motivation zu wandeln – vor allem bei der Ausweisung der Roten Gebieten im Land.
Seit 1. Februar dürfen die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern auf 429.218 Hektar (32,03 Prozent) der Landwirtschaftsfläche nur noch eingeschränkt düngen. Ursache für diese Restriktionen seien erhöhte Nitratwerte an 165 von insgesamt 824 Grundwassermessstellen und Rohrwasserbrunnen, hieß es im Januar aus dem Landwirtschaftsministerium. „Ob damit die jetzt geltende Ausweisung der Roten Gebiete wirklich korrekt erfolgt ist, müssen und werden Juristen klären“, ist der Bauernpräsident überzeugt. Unabhängig davon strebe der Verband schnelle Gespräche mit Minister Backhaus an, um ein Ausstiegsszenario zu verabreden. „Wir Landwirte wollen etwas für die Verbesserung des Gewässerschutzes tun. Die Frage ist nur, wie diese Bemühungen honoriert werden. Wenn beispielsweise ein Landwirtschaftsbetrieb über drei Jahre nachweisen kann, dass er die Vorgaben einhält und kein zusätzliches Nitrat ins Grundwasser emittiert, muss er aus der Einstufung ins Rote Gebiet wieder herauskommen.“

Finanzielle Belastung

Wie wichtig das für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landwirtschaftsbetriebes ist, wird am Beispiel der Agp Lübesse deutlich. Bisher hat der Betrieb nur 3 Prozent seines Ackerlandes unter Bedarf düngen müssen. Das Grünland lag komplett außerhalb der Roten Gebiete. Nach der neuen Kulisse betreffen die Einschränkungen jetzt 53 % der Ackerflächen und 70 % des Dauergrünlandes. „Das ist für unseren Betrieb eine enorme Herausforderung“, sagt Geschäftsführer Stefan Riemer. Nach ersten Berechnungen kalkuliert er rund 50 bis 100 Euro Verlust je Hektar im Roten Gebiet. Danach drohen der Agp in diesem Jahr allein wegen der neuen Düngelandesverordnung bis zu 130.000 Euro Verlust. Hinzu kommen weitere 235.000 Euro, die aufgrund der gesunkenen Basisprämie der neuen GAP im Vergleich zu den Vorjahren wegfallen.
Auch die Erhöhung des Mindestlohns um mittlerweile 22 % innerhalb nur eines Jahres muss er einkalkulieren. „Wollen wir auch künftig unseren Facharbeitern mehr zahlen als der ungelernten Hilfskraft, würden unsere Personalkosten bei unseren rund 100 Mitarbeitern um etwa 750.000 Euro ansteigen.
Ebenso bereitet dem Unternehmen der Vorstoß des Ministers, Landwirte künftig für die Wasserentnahme zur Beregnung stärker zur Kasse zu bitten, finanzielle Sorgen. Die in der Agp angebauten Kartoffeln und Zwiebeln müssen maximale Qualitätsanforderungen erfüllen. „Das ist nur mit Beregnung möglich“, so Stefan Riemer. In sehr heißen Phasen, wenn die Pflanzen viel Laub haben, das versorgt werden will, braucht er circa 30 mm Zusatzregen pro Woche und Hektar. Dadurch würden durch neue Entnahmegebühren zusätzliche Kosten von rund 12.000 Euro entstehen.
 
Weniger Einnahmen, deutlich höhere Kosten – bei der Agp Lübesse sorgen die veränderten politischen Rahmenbedingungen in diesem Jahr damit für ein Defizit von mehr als einer Million Euro. Das Unternehmen wirtschaftet in Kreisläufen, vermarktet regional, engagiert sich in der Bildung und bietet rund 100 Familien der Region ein Einkommen. Stefan Riemer ist stetig auf der Suche nach effizienteren Abläufen, neuen Geschäftsfeldern, Verbesserungen und innovativen Ideen. „Wir stellen ständig alles auf den Prüfstand. Aber irgendwann kommen auch wir an unsere Grenzen.“

 

Tierhalter kämpfen mit vielen Problemen

An der Grenze sind auch die tierhaltenden Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern. „Unsere Landwirte schauen mit großer Sorge auf den geplanten Umbau der Tierhaltung in Deutschland“, sagt Catharina Haenning, Vorstandsvorsitzende des Bauernverbandes Ludwiglust. „Wir haben im weltweiten Vergleich schon sehr gute Bedingungen in unseren Ställen. Ein „noch mehr“ lässt sich alleine über das Einkommen aus dem Verkauf tierischer Produkte nicht finanzieren.“ Zwar habe die Bundesregierung eine Milliarde Euro für den Umbau in Aussicht gestellt, das sei jedoch bei weitem nicht ausreichend. Die Borchert-Kommission, ein unparteiisches Expertengremium, veranschlagt für den gewünschten Umbau der Tierhaltung ein Mehrfaches dieser Summe. „So steuern wir früher oder später auf das Ende der Tierhaltung zu.“ Bereits jetzt weise die Statistik für Mecklenburg-Vorpommern sinkende Tierbestände aus. Auch in der Region des Bauernverbandes Ludwigslust stehen zahlreiche Ställe bereits leer.

„In den Unternehmen gibt es ein umfangreiches fachliches Wissen, das unbedingt erhalten werden muss, wenn wir Tierhaltung nach modernen Kriterien weiterentwickeln wollen. Doch im Moment kämpfen wir um jeden Arbeitsplatz.“ Dabei seien Rind, Schwein und Geflügel existenziell für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft in der Region. Sie liefern neben tierischen Lebensmitteln wie Fleisch, Milch oder Eiern auch den „organischen Dünger von nebenan“, ohne den Pflanzen nicht ausreichend wachsen können. Und auch die CO2-Speicherung durch den Anbau von Gräsern in der Region funktioniert am besten, wenn die Flächen regelmäßig beweidet oder gemäht werden.

 

Appell an Bundesregierung:  Bei Tierhaltungskennzeichnung dringend nachsteuern

Positive Entwicklungen sieht Bauernpräsident Detlef Kurreck in der Zusammenarbeit mit den Verarbeitungsbetrieben. „Auch wenn die Marktmechanismen weiterhin die Zusammenarbeit bestimmen, ist die Wertschätzung gegenüber unseren Produkten gewachsen“, fasst der Bauernpräsident seine Gespräche auf der Internationalen Grünen Woche zusammen.  Die Initiative Tierwohl sei ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit der Branchen. Umso kritischer sehen die Branchenvertreter, dass Landwirtschaftsminister Özdemir diesen Weg nicht weitergeht, sondern beispielsweise mit dem staatlichen Tierwohllabel sogar konterkariert.

„Es geht nicht weit genug, die Verbraucher erfahren bei zu wenigen Produkten die tatsächliche Herkunft.“ Wer mit seinem Einkauf etwas für Tierwohl, gute Arbeitsbedingungen sowie Klima- und Umweltschutz beitragen wolle, solle am besten regional einkaufen. Dafür muss klar ersichtlich sein, woher die tierischen Produkte und ihre Zutaten stammen. „So können Tierhalter in Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland gestärkt werden.
Ohne regionale Produktion von tierischen Erzeugnissen durch landwirtschaftliche Tierhalter im eigenen Land werden wir bald einen Großteil aus dem Ausland importieren müssen – mit unklaren oder auch schlechteren Bedingungen für Mensch, Tier und Umwelt.“

 

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